Reisen mit dem Rollstuhl
Ich gehe davon aus, dass viele Rollstuhlfahrer nicht aus finanziellen Gründen eine Reise scheuen, vielmehr, weil sie "Angst" bzw. keine Ahnung haben, ob eine anstrebende Reise überhaupt mit dem Rollstuhl "machbar ist". Hier kann ich Dir die passende Antwort geben: Es geht immer - alles eine Sache der Planung. Bei der Überlegung, ob und wie etwas gehen soll, behalte einfach im Hinterkopf: Nicht nur Du sitzt im Rolli und nicht nur Du bist reiselustig, d.h. es gab schon einige andere Rollstuhlfahrer, die es versucht und sicherlich auch geschafft haben, ihr Reiseziel zu erreichen - und dann auch noch wieder nach Hause gefunden haben. Hier versuchen wir, Dir ein paar Ängste zu nehmen und vor allen Dingen die Wege aufzuzeigen, welche Du zuvor erst rollen musst, damit eine Reise stattfinden kann.
Desöfteren habe ich bereits eine Reise mit einem Flugzeug unternommen und auch wenn es in den meisten Fällen sehr gut funktioniert hat, so habe ich in Vergangenheit auch schon derbe Patzer seitens der Fluggesellschaft erlebt.
So kam es zum Beispiel vor, dass am Flughafen Heathrow (einer der größten Airports weltweit) plötzlich mein Sitzkissen nicht mehr da war! Da dieses ein Dekubitus-Kissen war, wurde mir dieses seitens Krankenkasse zur Verfügung gestellt und kostet bei Beschaffung um die 1.000 Euro. Also konnte ich auch nicht "drauf pfeifen" und wir setzten uns ans Telefon. Im "Fundbüro" sagte man uns dann, dass dort kein Kissen sei, doch wo sollte es sonst sein? Niemand klaut ein "Kissen". Nun, schon beim Betreten des Fundbüros fällt unser Blick auf das Kissen, welches am Schreibtisch der Sachbearbeiterin lehnte! [B]Tja oops[/B], sie schien sehr überrascht und sagte sowas wie: Wo kommt das denn her, dass ham´se mir wohl heimlich da hingelegt.
Mein persönlicher Tipp also: Das eigene Sitzkissen immer mit an Board nehmen und wie Handgepäck dann im Flugzeug verstauen.
Möchtest Du Dir das Geld sparen und nicht den Weg über das Reisebüro machen, so musst Du Dich vor Reiseantritt genauestens informieren, was zu beachten ist! Ich persönlich habe vor einiger Zeit eine Reise nach Ibiza gemacht und via Telefon bestellt. Dort sagte ich bereits, dass ich Rollifahrer bin und was ich zu beachten hätte? Nach 5 Minuten Warteschleife wurde seitens des Reiseveranstalters alles bestätigt, sowohl die Platzreservierung als auch der Rollstuhltransport wurde gesichert. Es wird lediglich noch abgefragt, ob ihr ein paar Schritte (an Bord) gehen könnt und falls nicht, steht schon ein "Behindertenservice" bereit, um euch auf euren Sitz zu tragen. Sehr wichtig: Am Flughafen betont ihr während des Check-Ins nochmals, dass dieses euer eigener Rollstuhl ist und dieser mit aufgegeben werden muss. Dabei wird nochmals abgefragt, in welchem Ausmaße ihr Hilfe benötigt und egal, was auf eurer Anmeldung steht: Hier könnt ihr alle Unklarheiten beseitigen, denn ihr seid vor Ort und könnt eventuelle Missverständnisse aufklären. Bei mir ist es immer so, dass kurz vorm Boarding ein "Behindertenservice" mit Leihrolli vom Airport kommt und ich mich direkt umsetze oder mich der besagte Mann bis zum Flugzeug begleitet.
Dort laufe ich dann zu meinem Platz und der Behindertenservice kümmert sich darum, dass mein Rollstuhl mit ins Flugzeug geräumt wird. Die Besatzung des Fluges ist natürlich informiert und somit braucht ihr auch keine Angst zu haben, dass der Rollstuhl dann nicht wieder bereitsteht, sobald ihr landet. Hier solltet ihr euch aber damit abfinden, dass ihr zuerst die anderen Fluggäste rauslassen müsst, bevor es für euch weitergeht. Verständlich, denn erstmal muss jemand in den Bauch des Flugzeuges kriechen, den Stuhl beschaffen und so müssten sonst die anderen 300 Passagiere warten und das könnte für Zoff sorgen.
Ach und noch einen guten Tipp für Dich: Solltest Du "gerade bei einem neuen Rollstuhl wichtig" kein Bock auf Schrammen, Kratzer und anderen Beulen am Rolli haben, so nimm Dir genug "Knisterpapier" oder Schaumstoff mit, den Du dann bestenfalls noch vor Ort anbringen solltest. Ich hatte 2 Tage zuvor meine Carbon-Seitenteile erneuern lassen, da mir der Rollstuhl (ohne mich) die Treppen abgesegelt ist und ein Seitenteil zerbrochen ist. Kaum gelandet, sieht das Ding wieder aus, als sei ich damit via Backflip aus dem 3 Stock geflogen und nun muss ich "auf eigene Kosten" sehen, wie ich das wieder hinbekomme. Da meine Seitenteile zu 100% den Reifen bedecken (sonst gehen mir die Klamotten immer kaputt), sieht man immer sofort Kratzer auf dem Carbon, was mich natürlich stört - zumal der Stuhl ja auch so gut wie neu ist.
Ich habe schon einige Reisen in meinem Leben gemacht. Mit dabei waren Reiseziele wie:
- Florida
- Thailand
- Gran Canaria
- Fuerteventura
- Teneriffa
- Portugal
- Tunesien
- Spanien
- Belgien
- Holland
- Italien
- England
- Frankreich
- Dubai
- Mallorca
- Ibiza
- Karibik
- Australien u.v.m.
Alles logischerweise dem Rollstuhl und es gab zwar ein paar sehr gewagte Dinge wie beispielsweise die Londoner oder auch Pariser Underground, aber auch das haben wir geschafft! Die spanische Treppe wollte ich auch nicht verpassen und so ging ich "Hand in Hand" die Stufen hinunter! Venedig und der Vatikan wurden auch nicht verschont und ich hoffe, ich mache auch in Zukunft noch den Erdball unsicher.
Ganz wichtig und ebenfalls interessant ist es für einen Schwerbehinderten, ob und in welchem Ausmaß ein Sondergepäck möglich ist.
Manche Fluggesellschaften erlauben einen zweiten Rollstuhl (wenn dieser beispielsweise als Sportgerät angemeldet wird), aber ch denke hier ganz besonders an Hygiene-Artikel, denn unternimmt man mal eine Reise von 3-4 Wochen und benötigt Katheter, Urinbeutel und / oder Windeln, kann man da schon schnell an die Grenze des erlaubten Gewichts kommen. Es gibt Anbieter, die erlauben in diesem Falle das doppelte an Gewicht und das ist auch teilweise von Nöten, wenn man nicht bereits am Flughafen plete gehen möchte. Ich persönlich habe damals - da meine Fluggesellschaft dieses Sondergepäck nicht angeboten hat - 15kg Pampers für 4 Wochen Australien benötigt und habe diese dann schlussendlich in Australien bestellt und dort abgeholt, damit ich kein Übergepäck zahlen muss, was deutlich teurer gewesen wäre als die Windeln selbst.
Die VO (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität regelt im Artikel 10:
Hilfeleistung von Luftfahrtunternehmen
Ein Luftfahrtunternehmen leistet einem behinderten Menschen oder einer Person mit eingeschränkter Mobilität, die von einem unter diese Verordnung fallenden Flughafen abfliegt, auf einem solchen ankommt oder einen solchen im Transit benutzt, die in Anhang II genannte Hilfe ohne Aufpreis, sofern die betreffende Person die in Artikel 7 Absätze 1, 2 und 4 genannten Bedingungen erfüllt.
Und der benannte Anhang II hält u.a. fest:
Hilfeleistung des Luftfahrtunternehmens (…) Beförderung anerkannter Begleithunde in der Kabine, vorbehaltlich der nationalen Vorschriften. Zusätzlich zu medizinischen Geräten Beförderung von bis zu zwei Mobilitätshilfen pro behindertem Mensch oder Person mit eingeschränkter Mobilität, einschließlich elektrischer Rollstühle (sofern diese 48 Stunden vorher angemeldet wurden und an Bord des Luftfahrzeugs genügend Platz ist und sofern die einschlägigen Vorschriften über Gefahrgüter nicht entgegenstehen). (…)
Luftfahrtunternehmen können darüber hinaus individuelle Services anbieten. Einige von den größten Unternehmen haben wir näher unter die Lupe genommen und unterhalb findest Du die entsprechenden Verwaise.
Kleine Anekdote zum Schluss:
Niemals vergessen werde ich das Gesicht vom QUAD-Verleiher auf Ibiza: Dort standen wir zu dritt und wollten eine Quad-Tour unternehmen. Da diese ja mit Handgas fahren, kann ich das meistern und so frugen wir nach 3 Fahreugen. Der Verleiher korrigierte mich immer und sagte nur: "2 Quads"? No, 3 Quads please, erwiderte ich mehrfach. Nun, nach Vorzeigen meines Führerscheins bekam ich dann auch einen Schlüssel und letztendlich war das eines der schönsten Tage, die ich je erlebt habe.